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Interview mit Mustafa, ReliefAid Katastrophenhelfer in Syrien
Ursprünglicher Artikel von Yiota Liopetriti, dieser Artikel wurde übersetzt von Carolin Bohn.
ReliefAid ist eine der wundervollen humanitären Organisationen, mit denen wir in Syrien bereits seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Sie helfen uns dabei syrische Familien, deren Leben durch den Bürgerkrieg auf den Kopf gestellt wurden, mit lebensnotwendigen Notunterkünften und andere essentiellen Hilfsgütern zu versorgen.
Mustafa ist Fotograf und arbeitet für ReliefAid. In diesem Interview erzählt er uns, wie es ist, mit Familien zusammenzuarbeiten, die vor dem Krieg auf der Flucht sind.
„Ich liebe es, die Schönheit und Spontanität von Kindern festzuhalten, die trotz der horrenden Umstände, in denen sie Leben, gänzlich unbeschwert lachen.“
Erzähle uns etwas von dir!
Ich heiße Mustafa, bin Leiter des ReliefAid-Büros in Syrien und arbeite seit 2016 mit ReliefAid zusammen. Bevor der Krieg ausgebrochen ist, habe ich meinen Uniabschluss an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften in Aleppo gemacht und als Accountant in verschiedenen Unternehmen gerbeitet.
Wie bist du vom Krieg in Syrien betroffen?
Der Krieg hat jeden hier getroffen. Er hat mich von meiner Familie getrennt. Meine Schwestern haben Syrien als Flüchtlinge verlassen, eine ist jetzt in Österreich und die andere in der Türkei. Ich wurde vor zweieinhalb Jahren aus meiner Heimat in Aleppo vertrieben.
„Ich bin sehr stolz auf unser Team. Sie versuchen alles zu tun, was sie nur können. Auch unter den härtesten Umständen und Bedingungen kümmern sie sich darum, Hilfeleistungen an die Menschen da draußen zu liefern.“
Was ist das Schwierigste beim Fotografieren in Kriegsgebieten und Flüchtlingscamps? Stört es die Menschen, wenn du sie fotografierst? Was denkst du über deinen Job als Fotograf?
Das Camp ist eine geschlossene Gesellschaft, daher denken manche Menschen, dass wir in ihre Privatsphäre eindringen wollen, wenn wir sie fotografieren. Bis wir dann erklären, dass wir ihnen helfen wollen. Ich bin glücklich, wenn ich fotografiere, weil ich Menschen damit helfe.
Was meinst du mit „geschlossener Gesellschaft“?
Die Camps umfassen oft ein oder mehrere benachbarte Dörfer, also haben sie meist ihre eigene Kultur. Die Menschen, die darin leben sind daher skeptisch gegenüber Fremden, die in ihr Leben eintreten und Fotos von ihnen machen.
„Nachdem ich mein Zuhause verloren habe und meine eigene Familie getrennt sehe, finde ich, dass Lachen der beste Ansporn für uns ist, unsere Arbeit fortzusetzen und die Schwierigkeiten des Lebens zu überwinden.“
Du machst großartige Bilder von Kindern. Wie reagieren Kinder darauf, wenn du sie fotografierst? Wie fühlst du dich dabei?
Generell sind Kinder weniger empfindlich gegenüber dem Thema Fotografie, vor allem, wenn ich die Bilder mit ihnen teile. Ihnen die Bilder zu zeigen, macht sie glücklich und das macht auch mich glücklich.
Wie hoffst du, dass deine Fotos verwendet werden?
Ich hoffe, dass meine Bilder die größtmögliche Anzahl an Menschen erreichen, so dass sie erkennen, wie schlimm die Situation ist und verstehen, wie das Leben für die Menschen hier ist.
„Als Vater bin ich selbst bestrebt, Kindern zu einem normalen Leben zu verhelfen. An diesem Tag brachten wir vielen Kindern in beliebigen Lagern Unterrichtsmaterialien. Es war ein besonderer Moment, ihnen dabei zuzusehen, wie sie mit Taschen auf dem Rücken zu ihren Familien zurückkehrten.“
Was ist deine Hoffnung für die Zukunft?
Wie jeder syrische Bürger auch hoffe ich, dass der Krieg endet, wir nach Hause zurückkehren können, unsere Kinder ein besseres Leben haben werden und das Leben in den Camps endet.
Kannst du uns noch etwas über dein Leben in Syrien erzählen?
Ich bin Vater von drei Kindern. Die Jüngsten sind Zwillinge und wurden vor zwei Monaten geboren.
Als Vater, wie sehr sorgst du dich um deine Sicherheit und um die deiner Kinder?
Natürlich mache ich mir aus mehreren Perspektiven sorgen um meine Kinder, sei es ihre Sicherheit, Gesundheit oder Bildung. Das ist eine Folge der schlechten Bedingungen, unter denen wir in Syrien leben. Aber ich glaube fest daran, dass das Leben hier weitergehen muss und ich bemühe mich darum, meine Kinder zu beschützen.
Deine Arbeit ist sehr schwierig und es muss traurig sein, so viele hilfsbedürftige Menschen zu sehen. Wie kümmerst du dich um dich selbst?
Das Team und ich haben beschlossen, für mehrere Jahre in diesem Bereich zu arbeiten. Ja, es ist schwierig und traurig, aber wir schieben das beiseite und ermutigen uns gegenseitig dazu, weiterzumachen und nicht damit aufzuhören, Menschen zu helfen. Ich persönlich bin glücklich mit meiner Arbeit und will so lange weitermachen, wie ich Menschen in Not helfen kann.
„Das ist eines meiner ersten Fotos. Die Straße wurde intensiv von Flugzeugen bombardiert, wobei viele Menschen und Freunde getötet wurden. Wann immer ich jetzt dieses Bild ansehe, erinnere ich mich an meine Stadt und bin traurig.“
Der Konflikt in Syrien geht in sein 10. Jahr und noch immer gibt es Millionen von vetriebenen Menschen, die nicht wissen, ob sie je wieder zurückkehren können.
In Zusammenarbeit mit unseren Partnern vor Ort haben wir über 250.000 Menschen, die vor der unvorstellbaren Gefahr fliehen, mit lebensnotwendiger Hilfe unterstützt.
Im Moment stellt das Coronavirus eine weitere tödliche Bedrohung dar, die für die vertriebenen Menschen in Syrien heraufzieht. Trotz der Herausforderungen reagieren wir immer noch darauf.
Wir suchen ununterbrochen nach neuen Wegen, um die Herausforderungen zu bewältigen, die uns bevorstehen. So suchen wir proaktiv nach neuen Ideen und passen uns den sich verändernden Umständen an.
Reisebeschränkungen werden unsere Arbeit schwieriger gestalten. Dennoch setzen wir uns dafür ein, gefährdeten Familien auch während des Coronavirus-Ausbruches einen Ort zur Verfügung zu stellen, den sie Zuhause nennen können. Unsere starken Partnerschaften werden wichtiger sein denn je.
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