Interview mit Mustafa, ReliefAid Katastrophenhelfer in Syrien
Mustafa ist Fotograf und arbeitet für ReliefAid. In diesem Interview erzählt er uns, wie es ist, mit Familien zusammenzuarbeiten, die vor dem Krieg auf der Flucht sind.
von Emily Howard, 1. September 2020
Für Sama ist ein sehr persönlicher Dokumentarfilm aus dem Jahr 2019, der die erschütternde Realität des syrischen Bürgerkriegs zeigt. Der Film besteht aus privaten Video-Aufnahmen von Waad al-Kateab, der Regisseurin des Films.
Sie dokumentiert in den Aufnahmen ihr Leben zwischen 2011 und 2016 in Aleppo, wodurch die Kriegserlebnisse aus einer ausschließlich weiblichen Perspektive gezeigt werden. Al-Kateab filmt dabei alles von den friedlichen Demonstrationen, dem Zeitraum als Ost-Aleppo unter der Kontrolle von Rebellen war bis zur Belagerung und Rückeroberung durch Assads Truppen und anschließend der Flucht im Dezember 2016.
Gewidmet ist der Film ihrer ersten Tochter, Sama. Mit dem Film möchte sie ihr erklären, warum sie trotz der großen Gefahr so lange in Aleppo geblieben ist.
Trailer Für Sama © Filmperlen
Im Jahr 2011 war al-Kateab eine junge Wirtschaftsstudentin an der Universität in Aleppo. Im Rahmen des arabischen Frühlings kam es auch in Syrien vermehrt zu friedlichen Demonstrationen gegen Baschar al-Assad. Waad al-Kateab nahm an diesen teil und filmte sie, um sie für die Außenwelt festzuhalten.
Doch schnell entwickelte sich aus den friedlichen Demonstrationen ein brutaler Bürgerkrieg, der bisher mehr als einer halben Millionen Menschen das Leben gekostet hat.
Trotz der katastrophalen und gefährlichen Umstände in Aleppo entschied sich al-Kateab zu bleiben und ihr Leben dort zu dokumentieren. Denn schon während der Belagerung schickte sie ihr Videomaterial an den britischen Fernsehsender, Channel 4, welcher auch später bei der Produktion des Dokumentarfilms beteiligt war.
Über fünf Jahre filmte Waad al-Kateab den Alltag in Aleppo © Filmperlen
Der Film zeigt verletzte, tote und trauernde Menschen. Viele Szenen sind nicht leicht anzusehen. Man sieht beispielsweise eine Mutter, die ins Krankenhaus rennt, ihren toten Sohn vorfindet und ihn schreiend anfleht wieder aufzuwachen.
Viele solcher Momente nehmen einen mit, sind herzzerreißend und erschütternd. In all dem Chaos scheint es fast unmöglich, glücklich zu sein. Doch al-Kateab zeigt in ihrem Film auch spielende und lachende Kinder, Menschen voller Hoffnung und Glücksmomente wie ihre eigene Hochzeit.
Denn während Aleppo bombardiert wird, verliebt sie sich in den Arzt und ihren langjährigen Freund, Hamza. Gemeinsam kriegen sie 2015 ein Kind, Sama, was auf Arabisch Himmel heißt. Ausgewählt haben sie diesen Namen, weil sie sich einen Himmel wünschen, der frei von Bomben und Kampfflugzeugen ist.
Die Abwechslung von schlimmen Ereignissen und schönen Momenten gemeinsam mit den Erzählungen al-Kateabs, die den gesamten Film im Hintergrund begleiten, geben einen Eindruck, wie es sich anfühlt in Aleppo zu leben.
Ende 2016 werden al-Kateab, ihre kleine Familie und all ihre Bekannte dazu gezwungen, aus Aleppo zu fliehen. Mit Tränen in den Augen erklärt Hamza kurz bevor sie die Stadt verlassen, dass es nicht um den Ort geht, sondern um die Menschen, die dort sind. Keiner von ihnen möchte gehen, doch sie haben keine Wahl.
Ärzteteam in einem Nothospital in Aleppo, in der Mitte Waad al-Kateabs Mann Hamza mit Tochter Sama auf dem Schoß © Filmperlen
Was Für Sama zu einem so besonderen Dokumentarfilm macht, aber auch gleichzeitig zu einem, der nicht leicht anzuschauen ist, ist das hohe Maß and Realität. Indem der Film viele verwundete und tote Menschen zeigt, überschreitet er Grenzen, die man von anderen Dokumentarfilmen nicht gewohnt ist.
Das Leid der Menschen in dem Film ist keine Fiktion. Er zeigt die brutalen Ausmaße des syrischen Bürgerkriegs, die auch heute noch für viele Menschen Alltag sind und denen man sich vielleicht gar nicht so bewusst ist. Aber genau das regt zum Nachdenken an. Daher kann ich persönlich nur jedem empfehlen, sich diesen Film anzuschauen.
Regisseurin Waad al-Kateab mit ihrer Tochter Sama © Filmperlen
Nach der Flucht lebten al-Kateab und ihre Familie ein Jahr lang in der Türkei, wo ihre zweite Tochter zur Welt kam. Danach zogen sie nach England, wo sie auch heute noch leben.
Gemeinsam mit dem Regisseur Edward Watts machte al-Kateab aus ihren persönlichen Aufnahmen, die insgesamt eine Länge von mehr als 500 Stunden haben, einen 100-minütigen und mehrfach ausgezeichneten Film. Insgesamt wurde der Film für vier BAFTA Awards nominiert. Damit erhielt Für Sama die meisten BAFTA Nominierungen, die ein Dokumentarfilm je erhalten hat. Auf den Filmfestspielen von Cannes erhielt Für Sama den Preis als bester Dokumentarfilm. Auch wurde der Film im Januar für einen Oscar nominiert.
Heute setzt sich Waad al-Kateab weiterhin für ihr Heimatland ein. So hat sie ihr Filmmaterial an einen Informationspool unter UN-Mandat übergeben, in dem Beweise für die Verbrechen im syrischen Bürgerkrieg gesammelt und ausgewertet werden. Denn irgendwann sollen jene, die all den Menschen in Syrien so viel Leid angetan haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Auch hat sie ihre eigene NGO Action for Sama gegründet und setzt sich damit gegen das Bombardieren von Krankenhäusern in Syrien ein.
Seit 2012 hat ShelterBox in Kooperation mit lokalen Partnerorganisationen (ReliefAid und Bahar) 50.000 vom Konflikt betroffene Familien in Syrien und dem Irak unterstützt.
Damit ist es der größte und am längsten andauernde Einsatz unserer Geschichte. Derzeit verteilen wir Hilfsgüter wie Zelte, Planen, Seile, Decken und Solarlampen. Außerdem beginnen wir mit den Planungen maßgeschneiderter Hilfspakete für die Wintermonate, mit denen wir bereits im letzten Jahr die Menschen unter anderem mit Thermodecken und Winterkleidung versorgt haben.
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von Zaha Al Ghusain, 1. September 2020
von Zoey Weddige, 1. September 2020
von Zoey Weddige, 1. September 2020