Allein zwischen 1998 und 2017 kamen 1.3 Millionen Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben. Fast 4.5 Milliarden wurden verletzt, verloren ihr zu Hause oder mussten fliehen. Klar ist: Erdbeben und Tsunamis forderten in diesem Zeitraum einen Großteil der Opfer (Quelle: Science.orf.at). Um sie in Zukunft vor Katastrophen zu schützen, muss die Bevölkerung daher früher und präziser gewarnt werden – sogenannte Frühwarnsysteme machen dies möglich.
Tsunami-Frühwarnsysteme werden zu Lebensrettern
Aus dem Boden gerissene Bäume, zerstörte Häuser, weit ins Land gespülte Schiffe: Als Ende Dezember 2004 eine Flutwelle im Indischen Ozean mehr als 230.000 Menschen in den Tod riss und zahlreiche Familien mit einem Schlag obdachlos wurden, gab es im Indischen Ozean noch kein Tsunami-Frühwarnsystem. Seit dieser verheerenden Katastrophe hat sich jedoch viel getan. Dank modernster Messmethoden und Tsunami-Frühwarnsystemen lässt sich auch dort seit 2008 die Welle bereits kurz nach ihrem Entstehen im Meer orten. Dies übrigens mit Hilfe aus Deutschland, denn das Geoforschungszentrum Potsdam trug einen entscheidenden Teil dazu bei, das „German Indonesian Tsunami Early Warning System“ (GITEWS) zu entwickeln.
Diese Grafik zeigt die schrittweisen Abläufe des Tsunami-Frühwarnsystem, welches unter Führung des Geoforschungszentrum Potsdam entwickelt wurde. © GITEWS
Vielen Küstenbewohnern bleiben nur Minuten
Beim GITEWS orten Sensoren einen Tsunami schon auf dem Meer, indem sie den Wasserdruck am Meeresboden messen. Steigt der Druck, werden die Daten sofort an eine GPS-Boje und von dort an einen Satelliten geleitet. Der Satellit sendet dann ein Signal an die Frühwarnstationen an der Küste. Wenn die Experten vor Ort zu dem Schluss kommen, dass Tsunami-Gefahr bestehen könnte, geben sie die Vorwarnstufe „tsunami watch“ an sämtliche Alarmierungszentren aus. Sobald Gewissheit besteht, wird die Alarmstufe „tsunami warning“ ausgerufen, damit alle gefährdeten Gebiete sofort evakuiert werden (Quelle: GITEWS).
Die Möglichkeiten zur zeitnahen Warnung sind von der Entfernung der gefährdeten Küste zum Entstehungsort des Tsunami abhängig. Warnungen sind schon eine Stunde vor Eintreffen des Tsunamis möglich. Anderen Küstenbewohnern*innen haben hingegen nur wenige Minuten, sich in Sicherheit zu bringen. Eine Katastrophe kann damit nicht verhindert werden, aber bestenfalls werden Menschenleben gerettet.
Das Tōhoku-Seebeben löste mit einer Stärke von 9,1 Mw am 11. März 2011 einen gewaltigen Tsunami aus, welcher über 500 Quadratkilometer der japanischen Küste überflutete, mehr als 20.000 Opfer forderte und über 400.000 Häuser zerstörte.
Wenn die Erde bebt: Frühwarnsysteme für Erdbeben
Nicht nur Tsunamis, sondern auch Erdbeben können mit speziellen Frühwarnsystemen erkannt werden. Das wird immer wichtiger, denn inzwischen zeichnen sich unzählige Ballungsräume auf der ganzen Welt durch ihre prekäre Lage mitten in aktiven Gefahrenzonen aus. Mit Simulationen werden die Auswirkungen von Flutwellen oder Erdbebenstößen geschätzt. Weitere Modelle helfen dabei, Verkehrsströme zu simulieren, um so Routen für die Evakuierung zu verbessern.
Um nachvollziehen zu können, warum einem Erdbeben ein Warnsignal vorausgeht, muss man verstehen, wie ein Beben entsteht. Alles beginnt damit, dass sich die tektonischen Platten als äußerste Schicht der Erde um ein paar Zentimeter pro Jahr bewegen. An den Grenzen der Platten kommt es so zu Spannungen, die sich irgendwann plötzlich lösen. Damit entsteht ein sogenannter Scherbruch, eine sehr schnelle Erschütterung, die sich als Erdbebenwelle in alle Richtungen fortbewegt. Frühwarnsysteme messen die verschiedenen Laufzeiten von Erdbebenwellen. Allerdings muss schnell gehandelt werden, da nur wenige Sekunden zwischen dem Eintreffen der Kompressionswelle oder Primärwelle und der darauffolgenden, zerstörerischen Scherwelle bzw. Sekundärwelle liegen.
Die meisten Frühwarnsysteme verfolgen einen regionalen Ansatz, der drei Komponenten miteinander verknüpft. Zunächst zeichnet ein seismisches Beobachtungsnetzwerk starke Bodenbewegungen auf, indem es die Bodenbeschleunigung bzw. -geschwindigkeit bei einem Beben erfasst. Anschließend verarbeiten eine oder mehrere Software-Plattformen die Signale und senden daraufhin einen Alarm aus. Zuletzt werden Handlungsprotokolle eingesetzt. Sie senden konzentriert einen Alarm aus und werden hinzugezogen, wenn spezifische Strategien zur Vermeidung und Verringerung von Schäden ausgearbeitet werden.
Am 12. Januar 2010 ereignete sich in Haiti das verheerendste Erdbeben des 21. Jahrhunderts. Das Epizentrum lag unweit der Hauptstadt Port-au-Prince. Etwa 316.000 Menschen verloren ihr Leben und ca. 1.8 Millionen ihr Zuhause. ShelterBox stellte Notunterkünfte und weitere Hilfsgüter für mehr als 28.000 Familien zur Verfügung.
Der sechste Sinn: Tiere als Frühwarnsysteme
Neu ist der Ansatz, Tiere als Frühwarnsysteme einzusetzen, nicht. Nun wurde er aber wissenschaftlich fundiert. Schon lange bestand die Vermutung, dass sich bei Tieren kurz vor einem Erdbeben Änderungen im Verhalten zeigen. Während Wildtiere dann ihre Schlaf- und Nistplätze verlassen, werden Haustiere wie zum Beispiel Hunde nervös.
Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie sowie des Exzellenzclusters Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour der Universität Konstanz untersuchten diese Verhaltensänderungen in einer norditalienischen Region, die besonders häufig von Erdbeben betroffen ist. Dazu wurden sechs Kühe, fünf Schafe und zwei Hunde mit Sensoren ausgestattet. So wurde gemessen, ob die Tiere tatsächlich frühe Anzeichen von Erdbeben wahrnehmen können. Sie wurden über mehrere Monate hinweg, jeweils vor und während einer Serie von mehreren Erdbeben, beobachtet. Die Messdaten offenbarten die Bewegungen oder Körperlage der Tiere. Am Ende bestätigten die Forschungsergebnisse tatsächlich die Annahme. So wurden die Kühe kurz vor der Erschütterung ruhiger. Die Hunde und Schafe, die diese Reaktion der Kühe wahrnahmen, wurden daraufhin unruhig. Tiere interagieren also miteinander und zeigen so eine drohende Naturkatastrophe an (Quelle: Max-Planck-Gesellschaft).
Zur Zukunft der Frühwarnsysteme
Auch in Zukunft forscht das Deutsche Geoforschungszentrum an diversen Ansätzen, die den Weg für eine neue Generation von Frühwarnsystemen ebnen könnten. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen Hybridsysteme, die regionale Überwachungsinfrastrukturen mit intelligenten Sensoren kombinieren. Um damit möglichst große Flächen zu messen, werden die Sensoren an vielen Stellen verteilt. In Ländern wie Japan und Mexiko wird diese Art von Systemen bereits eingesetzt.
Das Tsunami-Museum in Banda Aceh, Indonesien, soll gleich drei Funktionen erfüllen: symbolische Erinnerung an die Katastrophe 2004, Schulungszentrum für die Bevölkerung und Schutzraum für den Fall, dass erneut ein Tsunami diese Region trifft. © Pixabay/ saifulmulia
Doch trotz dieser Fortschritte muss für die Zukunft gelten: Damit angesichts der sehr knappen Frühwarnzeiten die Maßnahmen wirksam sind, sollte bei der Bevölkerung in den gefährdeten Gebieten einerseits das Bewusstsein für das Risiko geschärft und andererseits das Interesse an präventiven Schutzmaßnahmen gestärkt werden.
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