Am 20. Juni war Weltflüchtlingstag.
Zu diesem Anlass veröffentlicht der UNHCR jedes Jahr den Jahresbericht ‚Global Trends‘. Er ist die wichtigste UNHCR-Publikation und in ihm werden jedes Jahr umfangreiche länderbezogene Daten zu Flüchtlingen, Binnenvertriebenen, Rückkehrern und Asylsuchenden zusammengestellt. Hier finden Sie den gesamten Bericht auf englisch.
Hier sind die wichtigsten Zahlen und Fakten aus dem Bericht zu den Flüchtlingszahlen 2019 und ihre Bedeutung zusammengefasst. Da der Bericht sehr viele Zahlen enthält, die teilweise sehr groß sind und die man sich darum oft kaum vorstellen kann, soll hier versucht werden, die ganze Information zu bündeln und zu veranschaulichen.
Das wichtigste vorneweg:
Am Ende des Jahres 2019 befanden sich weltweit 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Das sind 8,7 Millionen Menschen mehr als noch am Ende des Jahres 2018 und damit die höchste Zahl, die jemals vom UNHCR verzeichnet wurde.
79,5 Millionen bedeutet: ca 1 Prozent der gesamten Weltbevölkerung.
Wer sind diese Menschen?
Der UNHCR spricht von ‚Forcibly Displaced‘, also von gewaltsam vertriebenen Menschen. Sie werden aufgeteilt in 26 Millionen Flüchtlinge (unter UNHCR- und unter UNRWA-Mandat), 45,7 Millionen Binnenvertriebenen, also Menschen die ihr Zuhause verlassen müssen, dennoch aber im selben Land bleiben, 4,2 Millionen Asylsuchenden und 3,6 Millionen Vertriebene aus Venezuela.
Die Hauptherkunftsländer sind Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanamar. Aus diesen fünf Ländern stammen insgesamt 68 % aller Flüchtlinge und Menschen, die aus Venezuela vertrieben wurden. Die restlichen kommen aus Somalia, der demokratischen Republik Kongo, Sudan, Irak, der zentralafrikanischen Republik und noch vielen mehr.
Besonders hervorstechend: Zwischen 30 und 34 Millionen, also etwa 40 Prozent der Vertriebenen, sind Kinder unter 18 Jahre. Zum Vergleich: In Deutschland entsprach der Anteil der unter 18-Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2017 16,4% (Bundesinnenministerium). Dementsprechend ist der Anteil der Kinder an der Gesamtzahl der Vertriebenen etwa 2,5 mal so hoch wie der Anteil der Kinder an der deutschen Gesamtbevölkerung.
Wo sind diese Menschen?
79,5 Millionen bedeutet: ca 1 Prozent der gesamten Weltbevölkerung.
Schaut mal die Zahlen eurer Facebook-Freunde oder eurer Handykontakte an. Wenn das mehr als 100 sind, so bedeutet das, dass sich im Schnitt mindestens einer dieser Menschen auf der Flucht befindet.
Natürlich funktioniert dieser Vergleich nicht allzu gut, da sich die geflüchteten Menschen nicht gleichmäßig über den Erdball und auf die Länder verteilen. Die traurige Tatsache ist leider, dass die meisten dieser Menschen in weitaus schlechteren Bedingungen leben, als wir sie hier in Deutschland vorfinden. Deutlich wird das durch die folgenden Tatsachen:
- Mehr als die Hälfte dieser knapp 80 Millionen Menschen auf der Flucht zählt zu sogenannten Binnenvertriebenen. Also Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten, aber dennoch im eigenen Land geblieben sind.
- Die meisten Flüchtlinge, die ihr Heimatland verlassen, leben in den Nachbarländern.
- Beispiel: Die 4 Länder, aus denen die meisten Menschen geflohen sind und die vier Länder die am meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, liegen jeweils nebeneinander
Syrien -> Türkei
Venezuela -> Kolumbien
Afghanistan -> Pakistan
Südsudan -> Uganda
- 85% derer, die ihr Land verlassen mussten, leben in Entwicklungsländern
- Insgesamt befinden sich 80% aller gewaltsam Vertriebenen weltweit in Ländern oder Gebieten, die von akuter Ernährungsunsicherheit oder Unterernährung betroffen sind.
- Hinzu kommt, dass Familien, die aus ihrem Zuhause fliehen, meist nur sehr wenig mitnehmen können. Sie leben oft in behelfsmäßigen Unterkünften und sind kaum geschützt vor äußeren Einflüssen wie Regen oder Wind.
Das Coronavirus als zusätzliche Gefahr
Zu dieser schwierigen Situation, in der sich Menschen auf der Flucht befinden, ist in diesem Jahr noch eine weitere Gefahr hinzugekommen: Die Ausbreitung des Coronavirus.
Obwohl das neuartige Coronavirus zwar erst Ende 2019 aufgetaucht war und es somit für die Flüchtlingszahlen des Jahres 2019 und deren Bedeutung keine Rolle gespielt hat, findet es trotzdem Erwähnung im Bericht des UNHCR. Er weist darauf hin, dass das Virus schon jetzt enorme und unvorhersehbare soziale und wirtschaftliche Folgen mit sich bringt, die sich auch auf die Situation der Flüchtlinge und die Asylsysteme auswirkt. So ist etwa die Zahl der Asylanträge in der europäischen Union im März 2020 im Vergleich zum Februar um 43 Prozent zurückgegangen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Asylsysteme verlangsamten oder ganz zum Stillstand kamen nachdem Länder als Reaktion auf COVID-19 ihre Grenzen schlossen oder strenge Beschränkungen einführten.
Welche Auswirkungen das auf die Menschen auf der Flucht hat, bleibt bisher nur zu erahnen. Doch angesichts der Tatsache, dass gerade Flüchtlingslager oft sehr überfüllt sind und es so kaum möglich ist, körperliche Distanz zu wahren oder dass die meisten dieser Vertriebenen keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung haben, macht deutlich, welch verheerende Folgen ein Ausbruch des neuartigen Virus dort hätte.
Kein Ende in Sicht?
Die vielen Fakten und Zahlen aus diesem Bericht machen deutlich, wie bedrückend die Situation auf der Welt für Menschen auf der Flucht gerade ist. Und der Blick in die Zukunft lässt nicht gerade erwarten, dass sich die Situation schnell verbessert.
Nicht nur, ist die Zahl von 79,5 Millionen Menschen auf der Flucht am Ende des Jahres 2019 die höchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde, die Zahlen aus den Jahren vorher waren das auch schon. Der Bericht schreibt von einer Dekade der Vertreibung: Seit dem Jahr 2010 mussten mindestens 100 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen und nur ein Bruchteil davon, konnte in seine Heimat zurückkehren. Hinzu kommt der Blick auf die Hauptherkunftsländer, in denen die Krisen und Konflikte noch lange nicht beendet scheinen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass sich vielleicht auch durch das eigene Tun die Situation der vielen Geflüchteten etwas verbessert.